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Eduardo Galeano

Geschichte von den lebenslustigen Hexern auf dem Meer des Südens

Früher kam das Hexervolk oft auf die Chiloé-Inseln.
Wenn die Hexer zu faul zum Fliegen waren, kamen sie hoch zu Roß, auf einem riesigen Seepferd sitzend, das aus den Nüstern Wellen aus Schaum und üble Körpersäfte ausstieß. Auf ihrem einzigen Bein hüpfend, gingen sie um Mitternacht an Land und zeigten mit Taschenspiegeln auf jene, die sie für ihre Hexereien auserkoren hatten. Von weitem sahen sie aus wie Irrlichter: Unter dem Poncho trugen sie leuchtende Westen aus der Haut von Toten, die sie mit reichlich Menschentran eingerieben hatten, und mit diesen erhellten sie wie mit Laternen den Weg.
So war es nicht immer. Manchmal verwandelten sie sich in zähnestarrende Fische, die auf dem Trockenen schwammen und nach Christenfleisch gierten, und ein andermal erschienen sie in der Gestalt von Fledermäusen, die auf der Suche nach ansehnlichen Hälsen durch die Gegend flogen. Diese schauerlichen Nachtschwärmer, die in alles, auf das sie den Blick richteten, unheilbare Wunden schlugen, waren verwandelte Hexer, und Hexer waren auch die Raben, die Unflätigkeiten krächzten und Jungfrauen mit einem Flügelstreich schwängerten.

Auf den Inseln raubten sie Frauen. Hexerhände standen hoch im Kurs, es hieß, Höllenfeuer seien heilige Mittel gegen den eisigen Winter, und mehr als eine Dame, die täglich die Messe besuchte, träumte von Entführung.
Langweilte es sie, am Hexensabbat Frömmlerinnen zu beglücken, verließen die Hexer ihre Korallenpaläste in den Abgründen des Meeres. Dann stiegen sie mit von Beerentang glänzender Haut aus den Fluten und fuhren mit dem Geisterschiff umher.

Zwischen der Möweninsel und Feuerland hatten schon viele Fischer diese Pracht roter Segel die Fluten teilen und im schwarzen Nebel verschwinden sehen; und sie hatten den Widerhall der lärmenden Musik und das tausendfache Gelächter gehört, das die nicht endenwollenden Ausschweifungen an Bord begleitete. Und mehr als ein Dorfbewohner schwor mit gekreuzten Fingern, das Geisterschiff sei, von einem Schwarm scheußlicher Vögel verfolgt, in den Hafen von Tren-Tren eingelaufen, um den bei Raubzügen in der Ferne beschädigten Rumpf richten zu lassen, oder das Schiff ziehe in der Nähe der Höhlen von Quincaví seine Kreise, von deren Kaskaden die Hexer Wasser an Bord nähmen, das die Taufe auslösche.
Zu jener Zeit war das Geisterschiff eine Wonne der Nacht.

An einem bestimmten Tag ohne Datum fanden sie an einem bestimmten Ort ohne Vermerk auf der Landkarte, was andere suchten. Sie fanden es ohne Absicht. Wie es in den Annalen der Hexengeschichte geschrieben steht, trieben sie gerade in der Ferne ihre Narreteien, als sie eine Insel erblickten, in goldenen Dunst gehüllt und in tiefster Nacht vor Gold leuchtend.

Von ihren getreuen Kröten gefolgt, gingen die einbeinigen Hexer an Land und bei jedem Hüpfer wirbelten sie Goldstaub in der goldenen Luft auf. Die Insel war unbewohnt. Während sie am goldenen Ufer eines Bachs entlang auf den Berg aus Gold zugingen, sahen die Hexer Gold auf den Äckern und in den Gärten wachsen, sie sahen goldenen Ginster, goldene Orangen, von goldenen Trauben strotzende Weinreben, und sie sahen alte Skelette, die noch immer Axt oder Schwert umklammert hielten. Der Weg war mit trockenen Knochen, Schädeln, Brustpanzern und verrosteten Arkebusen übersät. Wer weiß, vor wie vielen Jahren oder Jahrhunderten die adeligen Kapitäne mit ihren Scharen von Eroberern gefallen waren, als sie sich auf dem Pfad, der zu den Gipfeln der Goldinsel El Dorado führte, gegenseitig niedermachten.

Die Hexer kehrten nie mehr zurück.
Zuweilen trägt der Wind ein fernes Wehklagen herüber, das weder von den Seelen der Verdammten noch von den Ertrunkenen ohne Grab, noch von den Schiffbrüchigen stammt, die von Hunger und Kälte gepeinigt dahintreiben. Wer an den enthexten Küsten von Chiloé dem Wind lauscht, der behauptet, daß diese Klagerufe vom Geisterschiff herrühren. Diesen Leuten zufolge sind die Hexer dazu verdammt, das Gold und auch sich selbst gegenseitig zu bewachen. Das Schiff kreist um die Insel, ohne je anzuhalten und ohne jemals ihren Kranz aus Gischt zu verlassen. Seine Segel haben die Lust aufs Meer verloren. Nicht einmal der Wind geht mehr auf Tuchfühlung mit diesem schaurigen Kerker, der in der Finsternis ächzt.
Schiffe, die sich heranwagen, finden sich unversehens auf dem Trockenen wieder und fahren durch die Leere, und die vorwitzigen Seeleute werden als Treibholz an Land geworfen.

Aus dem Spanischen von Carina von Enzenberg


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